3.Kindeswohlgefährdung (§ 1666 Abs. 1 BGB)

Der Begriff Kindeswohlgefährdung entstammt in seinem Ursprung dem Familienrecht in § 1666 Abs. 1 BGB und ist eine rechtliche Konstruktion für soziale Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen und ihren Aufwachsensbedingungen. Die Annahme des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung markiert einen Grenzstein. Diesseits liegt der große Bereich, in dem viele Problemlagen und Belastungen von Kindern und Jugendlichen möglich sind, auf welche der Sozialstaat mit Angeboten an Hilfe und Unterstützung und einem Werben um selbstbestimmte Inanspruchnahme zu reagieren hat. Jenseits, also bei vorliegender Kindeswohlgefährdung, ist die bevorzugte Option zwar weiterhin die Verbesserung der Situation in Übereinstimmung mit den Personensorgeberechtigten, aber auch Maßnahmen ohne ihre Zustimmung oder gegen ihren Willen werden grundsätzlich zulässig (Kindler, 2018, S. 205).

Die Kindeswohlorientierung der UN-Kinderrechtskonvention („child’s best interests“) ist dabei auch im Kontext von Kindeswohlgefährdung konsequent zukunftsbezogen (zu einem internationalen Vergleich Meysen & Krutzinna, 2020). Es geht nicht, wie etwa im Strafrecht, um die Aufklärung und Sanktionierung vergangener Taten, sondern um die Abwendung zukünftiger Schädigungen von Kindern und Jugendlichen. Der Bundesgerichtshof hat die bis heute allgemeingültige Definition von Kindeswohlgefährdung bereits 1956 beschrieben als „gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich [im Fall eines ungehinderten Geschehensablaufs] bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (BGH 14.7.1956 – IV ZB 32/56).