2.Medizinische Folgen des Miterlebens häuslicher Gewalt zwischen den Eltern

Misshandlung in der Kindheit kann das Leben der Betroffenen auf vielfältige Weise beeinflussen. So ist eine wichtige Folge eine deutlich erhöhte Morbidität, die sowohl psychische als auch somatische Gesundheitsprobleme umfasst (Norman et al., 2012). Danach ist z. B. das Risiko für Adipositas, ischämische Herzkrankheiten, Krebserkrankungen, Schlaganfälle und verschiedene Lungenerkrankungen deutlich erhöht – weltweit führende Todesursachen - wenn in der Kindheit Misshandlung erlebt wurde. Aber auch die Risiken für Alkohol- und Drogenmissbrauch, Depressionen und Selbstmordversuche steigen deutlich an (Felitti et al., 1998). Das Erleben von Kindesmisshandlung kann so zu einer signifikanten Verkürzung der Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren führen (Brown et al., 2009).

Das Miterleben häuslicher Gewalt zwischen den Eltern wirkt sich auch negativ auf die Entwicklung des Gehirns bei Kindern und Jugendlichen aus. So konnte eine Gruppe US-amerikanischer Forscher zeigen, dass bei Kindern und Jugendlichen, die häusliche Gewalt zwischen den Eltern erlebt hatten – aber nicht selbst körperlich misshandelt wurden – Veränderungen in der Vernetzung verschiedener Hirnregionen im Vergleich zu anderen Kindern und Jugendlichen vorlagen (Choi, Jeong, Polcari, Rohan & Teicher, 2012). Dieser Befund belegt, wie tiefgreifend auch das Miterleben von Gewalt zwischen Elternteilen, ohne selber körperliche Gewalt erfahren zu haben, für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sein kann.