2.Partnerschaftsgewalt als Anlass für Schutz und Hilfe

Die mittlerweile gut entwickelte Befundlage aus tatsachenwissenschaftlicher Forschung zeigt deutliche negative Auswirkungen eines Miterlebens von Partnerschaftsgewalt auf die Entwicklung von Kindern. Bei einem Teil der betroffenen Kinder ergeben sich hieraus bedeutsame Beeinträchtigungen in wichtigen Entwicklungsbereichen. Kindler 2013, S. 45; näher unten 3 bis 5. Übersetzt in die Sprache des Rechts bedeutet miterlebte Partnerschaftsgewalt – zumindest solange die Partnerschaft der Erziehungspersonen gewaltbelastet ist – zunächst dreierlei und zwar, dass

  • „eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist“ (§ 27 Abs. 1 SGB VIII), sodass die Personensorgeberechtigten unter anderem Anspruch auf Hilfen zur Erziehung haben und auch sonst Anlass besteht für sog. öffentliche Hilfen (§ 1666a BGB);

  • „gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohl eines Kindes oder Jugendlichen“ vorliegen (§ 8a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB VIII, § 4 Abs. 1 S. 1 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz [KKG]), denen Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe sowie Berufsgeheimnisträger in den Erwachsenenunterstützungssystemen im Rahmen ihres jeweiligen Schutzauftrags nachzugehen haben;

  • das Familiengericht aufgrund seiner Pflicht, durch seine Verfahrensführung und Entscheidungen weder Kinder noch Eltern einer Gefahr für Leben oder Gesundheit auszusetzen, einen Auftrag zur vorrangigen Sachaufklärung hat (§ 1666 Abs. 1,§ 1671 Abs. 4, § 1684 Abs. 4 BGB i.V.m. Art. 31, 51 Istanbul-Konvention), aber kein Automatismus für das Vorliegen einer „Gefährdung des Kindeswohls“ besteht, bei welcher das Familiengericht in Kindschaftssachen längerfristige Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu treffen hat.

Die rechtlich definierten Schwellen entscheiden in einem gestuften System über das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechtsansprüchen, Handlungspflichten und Eingriffsbefugnissen.