1.Vorbemerkung

Das Kindschaftsrecht steht unter der Ägide des Kindeswohls. Familiengerichte treffen die Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§§ 1697a, 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB Hierzu ▸ Kapitel 2. ), zum Wohl des Kindes erforderlich (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB Hierzu ▸ Kapitel 1. ) oder zur Abwendung einer Gefahr erforderlich ist (§ 1666 Abs. 1, § 1671 Abs. 4, Hierzu ▸ Kapitel 2. § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB Hierzu ▸ Kapitel 1. ). Diese Einbettung in die Kontexte der berechtigten Interessen ist bei häuslicher Gewalt besonders bedeutsam, denn häusliche Gewalt ist Vieles zugleich:

  • Sie ist ein Menschen- und Grundrechtsthema, weil es etwa ohne Zweifel die Würde eines Menschen – in Kindschaftssachen nach häuslicher Gewalt in der Regel eines Elternteils – verletzt, in oder nach einer Partnerschaft bzw. Ehe geschlagen, vergewaltigt, kontrolliert und gedemütigt zu werden. Etwa das Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11.5.2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 17.7.2017, BGBl. II, S.1026 (Istanbul-Konvention); Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom 18. Dezember 1979.

  • Sie ist ein soziales Problem in dem Sinne, dass häusliche Gewalt aus dem Bereich des nur Privaten herausgeholt werden konnte Hagemann-White 2020a, S. 2 ff. und als gesellschaftliches Problem Anerkennung gefunden hat. Für eine Definition sozialer Probleme siehe Groenemeyer, 1999. Entsprechend gibt es, wenn auch mit Abstufungen in der empfundenen Wichtigkeit und einer manchmal gewissen Ratlosigkeit hinsichtlich einer praktischen gesamtgesellschaftlichen Strategie, breite Übereinstimmung, dass es richtig ist, etwas gegen häusliche Gewalt zu unternehmen.

  • Sie ist ein Geschlechterthema Hagemann-White 2020b, S. 4. und die manchmal aufgeheizten Diskussionen darum, wie sich die Häufigkeiten zueinander verhalten, mit der Männer und Frauen in Partnerschaften zu Gewalt greifen, Johnson, Aggression and Violent Behavior 2011; Hamby, Trauma, Violence, & Abuse 2014. kann nur so verstanden werden, dass damit gleichzeitig sehr grundlegende Themen der Geschlechterverhältnisse besprochen werden.

  • Weiter ist häusliche Gewalt ein Gesundheitsthema, weil körperliche Verletzungen und psychische Erkrankungen eine Folge sein können.

  • Nicht zuletzt ist sie ein Kindeswohlthema und damit auch ein Thema des Kindschaftsrechts und des familiengerichtlichen Verfahrens in Kindschaftssachen.