5.2.2Tatsachenwissenschaftliche Erkenntnisse über Potenziale von Unterstützung und Hilfe
Für positive Verläufe nach Partnerschaftsgewalt ist es wichtig, Gewalt möglichst rasch und dauerhaft zu beenden, Bezugspersonen bei der Bewältigung ihrer eigenen Belastung und der Fürsorge zu unterstützen und Kindern Hilfestellung beim Verständnis des Geschehenen, dem Umgang mit ihren Gefühlen und dem Abbau entstandener Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen zu gewähren. Da positive Bindungserfahrungen die soziale Entwicklung von Kindern unterstützen, Groh et al., Attachment & human development 2014. kann in der Praxis im Fall einer Elterntrennung und eines Verbleibs von Kindern beim gewaltbetroffenen Elternteil ein wichtiges Ziel darin bestehen, eine Reorganisation der Mutter-Kind-Bindungsbeziehung (bzw. Vater-Kind-Bindungsbeziehung) zu fördern. Je nach Einzelfall können dafür Maßnahmen sinnvoll sein, um die Sicherheit des gewaltbetroffenen Elternteils zu erhöhen, vorhandene psychische Belastungen abzubauen oder positive Interaktionen mit dem Kind direkt zu unterstützen. Einige Hilfekonzepte, die diesen Ansatz verfolgen, wurden bereits erprobt, Z.B. Lawler et al., 2018. allerdings ist festzuhalten, dass das Unterstützungssystem bei häuslicher Gewalt nicht allein für ein begründetes Gefühl von Sicherheit sorgen kann, da etwa – je nach erlittener Gewaltform – Umgangskontakte stark verunsichernd wirken können. Hardesty et al., Journal of Family Psychology 2017.
Insbesondere die Befunde zu den Folgen miterlebter Partnerschaftsgewalt für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind wichtig. Sie deuten darauf hin, dass ein Hilfe- und Unterstützungssystem (Unterstützung bei häuslicher Gewalt, Gesundheitsversorgung und Therapie, Kinder- und Jugendhilfe), das die Folgen von Partnerschaftsgewalt auf die psychische Gesundheit von Kindern ernst nimmt, drei Elemente beinhalten sollte: Kindler 2020a, S. 5 f.
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eine frühe Intervention und nachhaltige Begleitung zur Vermeidung erneuter Partnerschaftsgewalt,
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ein qualifiziertes Unterstützungs- und Behandlungssystem für Mütter (bzw. Väter), das über die ebenfalls wichtigen Schutzräume und -maßnahmen hinausgeht,
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kindbezogene niedrigschwellige Angebote zum Umgang mit belastenden Gefühlen und dem Verständnis der Gewalt sowie qualifizierte Behandlungsangebote, um eine Verfestigung psychischer Auffälligkeiten zu verhindern.
Inwieweit Nachteile in der Bildungsentwicklung für betroffene Kinder in Deutschland an der Schnittstelle von Bildungssystem, Opferschutz sowie Kinder- und Jugendhilfe durch Fördermaßnahmen aufgefangen werden könnten, wurde bislang nicht untersucht.