Allerdings hat ein solcher Mechanismus, wenn er sich wie in der beschriebenen Ausprägung ausbildet, hohe „emotionale Kosten“ für die sozial-emotionale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Beginnend im frühen Alter hat der emotionale Austausch bzw. die psychobiologische Regulation eine zentrale Funktion für die emotionale und sozial-kognitive Entwicklung von Kindern. In der alltäglichen Beziehung „spiegeln“ Eltern ihren Kindern Gefühle, Zustände und Bedeutungen und helfen ihnen, diese für sich „einzuordnen“ bzw. überschießende Gefühle zu rahmen und zu regulieren („Brain-to-Brain Communications“; Trevarthen, 1993). Finden solche Dialoge nicht oder nur sehr rudimentär statt, entwickeln Kinder einen nur eingeschränkten Zugang zu ihren eigenen Gefühlen und lernen gleichzeitig, „Gefühle zu zeigen, die sie nicht fühlen“ (s. a. Crittenden, 1994). Im weiteren Entwicklungsgang wird diese „emotionale Vereinsamung“ chronifiziert und verfestigt, sofern keine Veränderungen in der Perspektivenübernahme bzw. im Verhalten von Eltern stattfindet. Mit dem sogenannten „falschen Selbst“ beschrieb bereits Donald Winicott, ein Zeitgenosse von John Bowlby, mögliche gravierende Folgen für die weitere Persönlichkeitsentwicklung (Wincott, 2006).

Neben Gefühlen von starker Hilflosigkeit bei „emotionaler Abwesenheit“ von Bindungspersonen, wie sie bei kleinen Kindern mit hochunsicher-desorganisierter Bindung bzw. mit Bindungsstörungen einhergehen, gehört auch Rollenkonfusion bzw. Parentifizierung in den „Symptomkatalog“ von Bindungsstörungen. Im Zusammenhang mit Rollenkonfusion und Parentifizierung wird diskutiert, dass Kinder ihre unzureichenden Beziehungsvorerfahrungen auf andere, folgende Beziehungen „übertragen“ (innere Arbeitsmodelle bzw. mentale Bindungsrepräsentationen). Danach lässt sich die erste Bindungsbeziehung als Schablone für folgende Beziehungen verstehen. In einer frühen Beziehung, die durch Rollenkonfusion bzw. Parentifizierung bestimmt ist, entwickelt das Kind (unbewusste) Repräsentationen über seine Bindungsperson als bedürftig und gleichzeitig über sich selbst als einen Menschen, der nicht liebenswert ist und Fürsorge nicht verdient (Bowlby, 1969; Bretherton, 2008).