Wenn Eltern wie im beschriebenem Sinne Gewalt gegenüber ihren Kindern ausüben bzw. sie nicht davor schützen können, lässt sich in den meisten Fällen von tiefgreifenden, meist auch generationsübergreifenden bzw. biographischen Belastungen der Eltern ausgehen (sogenannte Risikomechanismen). Dabei handelt es sich um chronische Schwierigkeiten von Eltern, ihren Alltag zu bewältigen, um mangelnde Impulskontrolle, um tiefgreifende Gefühl von Hoffnungslosigkeit, gegebenenfalls auch in der Vergangenheit massive Probleme ihr Kind bzw. ein Geschwisterkind zu versorgen sowie insgesamt um mangelnde Bewältigungsstrategien und mangelnde Problemlösestrategien (Adshead, Falkov & Goepfert, 2004; Ziegenhain, 2014). Mittlerweile gibt es eine wachsende Anzahl von Befunden, die belegen, dass frühe und chronische Erfahrungen von überwältigender Hilflosigkeit gegenüber einem feindseligen oder misshandelnden Elternteil gehäuft im Zusammenhang mit dysfunktionalem Umgang mit dem eigenen Kind stehen. Tatsächlich waren Eltern mit Gewalt- bzw. traumatischen Beziehungsvorerfahrungen im Umgang mit ihrem eigenen Kind massiv „dysfunktional“. Insbesondere sind dies Eltern, die ihr Kind in belastenden Situationen nicht trösten können, die sich übermäßig harsch, aggressiv oder bestrafend verhalten und vermehrt negativ übergriffig sind (Nachäffen des Kindes oder sich über das Kind lustig machen). Dazu gehören auch sogenannte Rollenkonfusion („Abgeben“ der Elternrolle), emotional ausgeprägt zurückgezogenes Verhalten oder auch Kommunikationen, die ein Kind widersprüchlich erleben muss (z. B. verbal einladen („komm doch zu mir“) und sich gleichzeitig körperlich abwenden). Schließlich gehört dazu sogenanntes dissoziatives oder desorientiertes Verhalten, z. B. dann, wenn Eltern verwirrt wirken, sich zögernd oder furchtsam gegenüber dem Kind verhalten (mit Stimme, Mimik, Körperhaltung oder plötzlichen Bewegungen), oder „Einfrieren“ bzw. sich „wie in Trance“ (trance-like“) bewegen. Die letztgenannten Verhaltensweisen werden klinisch mit traumatischen Vorerfahrungen assoziiert (Metanalyse mit 12 Studien und 851 Mutter-Kind-Dyaden; Madigan et al., 2006).
Solche Zusammenhänge zwischen eigenen kritischen biographischen Erfahrungen und Gewaltausübung gegenüber dem Kind sind nicht „deterministisch“, also kommen zwar gehäuft vor, aber führen nicht in jedem Fall zwangsläufig zu Gewaltausübung. Sie stellen allerdings ein erhöhtes Risiko für sogenannte hochunsichere Bindung bzw. für Bindungsstörungen dar (3.7-Mal häufiger; Madigan et al., 2006). Spätestens hier geht es dann auch darum, eine Kindeswohlgefährdung abzuklären bzw. sich etwa von einer sogenannten „insoweit erfahrenen Fachkraft“ beraten zu lassen (s. a. Text Häusliche Gewalt und der Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung).