Aus miterlebter häuslicher Gewalt ergeben sich, wie eingangs mit dem Zitat von Kindler (2013) herausgestellt, deutlich negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Es kann daher von einer Gefahr für Kinder und Jugendliche im Sinne der Definition von Kindeswohlgefährdung gesprochen werden. Durch das tatsächliche Miterleben von Partnerschaftsgewalt oder eine Misshandlung des Kindes bzw. der*des Jugendlichen selbst in der Gewaltsituation, ist, wenn das Geschehen nicht schon lange zurückliegt und mit einer Wiederholung vorerst nicht zu rechnen ist, die Gefahr auch „gegenwärtig“. Das weitere einschränkende Kriterium, die Erheblichkeit der zu erwartenden Schädigung – oder in den Worten von Kindler die „bedeutsamen Beeinträchtigungen in wichtigen Entwicklungsbereichen“ – geht mit dem Miterleben von Partnerschaftsgewalt allerdings nicht zwangsläufig einher. So hat Forschung gezeigt, dass insbesondere das mütterliche (bzw. väterliche) Fürsorge- und Erziehungsverhalten und eine positive Mutter- (bzw. Vater)-Kind-Beziehung einen günstigen Einfluss auf die kindliche Entwicklung haben und damit die Belastungen abfedern können (eine Übersicht zu entsprechenden Studien s. a. Kindler, 2013, S. 44).
Glücklicherweise nehmen somit nicht alle Kinder und Jugendlichen, die in ihrem Aufwachsen Partnerschaftsgewalt ausgesetzt waren, eine erhebliche Schädigung auf ihren weiteren Lebensweg mit. Diese erfreuliche Erkenntnis sozial- und humanwissenschaftlicher Forschung bedeutet für die Praxis, dass nicht pauschal-generalisierend proklamiert werden kann, das Miterleben von Partnerschaftsgewalt sei in jedem Fall Kindeswohlgefährdung, um gegebenenfalls Eingriffe – auch in die Rechte der Mutter – zu rechtfertigen. Vielmehr ist das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Kindeswohlgefährdung in jedem Einzelfall zu prüfen. Das erhöht die Anforderungen an die Wahrnehmung des Schutz- und Hilfeauftrags der handelnden Fachkräfte, erweitert aber das Repertoire für Hilfe und Unterstützung bei der Wiederherstellung sicherer und förderlicher Aufwachsensbedingungen für das Kind bzw. die*den Jugendliche*n.